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Manfred Oeming (Heidelberg)
Obgleich ihre Ikonographie und Epigraphik derjenigen von Siegeln in nichts nachsteht, kommen Münzen und ihre spezifischen Botschaften in der alttestamentlichen Wissenschaft relativ wenig zum Einsatz. Das mag mehrere Gründe haben: Die Münzproduktion und die Verwendung von geprägtem Gold-, Silber- und Bronzestücken im Alltag begannen in Juda und Israel erst in der mittleren Perserzeit. Es mag auch an der hermeneutischen Unsicherheit bei der Interpretation von Bildern liegen. Oder auch daran, dass eine umfassende Darbietung des Materials im Sinne eines Lehrbuches (à la Silvia Schroer, Die Ikonographie Palästinas/Israels und der Alte Orient, Bd. 1–4) mit Aufarbeitung der religiösen Bedeutung ein Desiderat ist. Aber die allmähliche Einführung von Geld hat eine sehr starke Auswirkung nicht nur auf das gesamte Wirtschaftsleben und das Militär, sondern auch auf die kulturelle Identität und die Religion Israels. Vielleicht veränderte Geld das Leben der Menschen mehr als die Einführung eines neuen Werkstoffes; man könnte daher vom Beginn des „Münzzeitalters“ (“Coin Age”) um 450 v.Chr. sprechen. Angesichts der Einsicht, dass die Endredaktion vieler alttestamentlicher Texte in das Münzzeitalter fällt, ist der Beitrag der Numismatik nicht zu gering zu bewerten. An einigen ausgewählten Beispielen (aus Numeri, Nehemia, Hiob, Kohelet und den Makkabäerbüchern) soll aufgezeigt werden, wie sehr die Berücksichtigung der Bild-Welt der Münzen das Verstehen der biblischen Text-Welt fördern kann.